Die Bürgerwissenschaft präsentiert: nützliche Bakterien
Obwohl wir wissen, dass Bakterien wie Laktobazillen für Gesundheit, Ernährung und Ökosysteme von Nutzen sind, ist erstaunlich wenig über ihre evolutionäre Dynamik und ihre funktionellen Eigenschaften bekannt. Dies schränkte bislang unsere Möglichkeiten ein, ihr volles Potenzial in Bereichen wie Frauengesundheit, Lebensmittelinnovation und nachhaltige Landwirtschaft auszuschöpfen.
Wie sich nützliche Bakterien an unterschiedliche Umgebungen anpassen
Das vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) geförderte Projekt Lacto-Be will im Detail erforschen, wie sich nützliche Bakterien wie Laktobazillen an die verschiedenen Umgebungen anpassen, in denen sie leben – vom menschlichen Körper über fermentierte Lebensmittel bis hin zu Pflanzen und Insekten. „Für die Erreichung unserer Ziele kombinierten wir fortschrittliche Genomik, Mikrobiologie und Bürgerwissenschaft, um Laktobazillen in drei wichtigen Lebensräumen zu untersuchen“, erklärt Lacto-Be-Projektkoordinatorin Sarah Lebeer(öffnet in neuem Fenster) von der Universität Antwerpen(öffnet in neuem Fenster) in Belgien. „Bei diesen Lebensräumen handelte es sich um den weiblichen Fortpflanzungstrakt, fermentiertes Gemüse und die natürliche Umgebung, einschließlich Bienen und Pflanzen.“ Ein bahnbrechendes Element des Projekts war die Tatsache, dass Tausende von Bürgerinnen und Bürgern Proben beisteuerten. Das macht Lacto-Be zu einer der größten Mikrobiomstudien ihrer Art. „Außerdem entwickelten wir leistungsstarke neue Software und Laborwerkzeuge – z. B. SCARAP, ein skalierbares Pangenom –Analyse-Instrumentarium und synthetische Modelle – um wichtige adaptive Merkmale von Laktobazillen in verschiedenen Lebensräumen zu identifizieren“, fügt Lebeer hinzu.
Neue Bakterienarten in allen drei Lebensräumen
Diese Arbeit hat zu einigen bedeutenden Fortschritten geführt, darunter ein neues Verständnis des vaginalen Mikrobioms und seiner Verbindungen zu Lebensstil und Umweltfaktoren. Ermöglicht wurde diese Arbeit durch das Bürgerforschungsprogramm Isala(öffnet in neuem Fenster), das im Rahmen von Lacto-Be für den Bereich Frauengesundheit eingerichtet wurde. Mehr als 6 000 Frauen haben sich angemeldet und wollen Wissenschaftlern dabei helfen, zu untersuchen, wie sich Vitamine, Menstruationsprodukte und der Menstruationszyklus auf das vaginale Mikrobiom auswirken. Das Projekt brachte neue Erkenntnisse darüber, wie fermentierte Lebensmittel von Laktobazillen dominiert werden und welche Prozesse dafür verantwortlich sind. Außerdem wurden Hinweise darauf gefunden, dass Bestäuber bestimmte Laktobazillen auf die Blüten übertragen können, was zur Vorbeugung gegen Pflanzenkrankheiten beisteuern könnte. „Schließlich entdeckten wir in allen drei Lebensräumen neue Bakterienarten mit einzigartigen Eigenschaften, darunter die Produktion antimikrobieller Substanzen“, sagt Lebeer. „Einige dieser Verbindungen werden gerade patentiert.“
Antimikrobielle Entdeckungen, Biobank und Genomikinstrumente
Diese Ergebnisse haben weitreichende Auswirkungen. Die antimikrobiellen Entdeckungen können zum Beispiel helfen, bestimmte Infektionen und Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen. Aus Pflanzen gewonnene Isolate erwiesen sich als vielversprechende biologische Bekämpfungsmittel, während Isolate aus Lebensmitteln den gesundheitlichen Nutzen von fermentierten Produkten erhöhen könnten. „Die Biobank und die genomischen Instrumente, die durch Lacto-Be entwickelt wurden, werden bereits von uns und anderen Forschenden weltweit genutzt, um Probiotika der nächsten Generation sowie lebende biotherapeutische Produkte zu entwickeln“, sagt Lebeer. „Und durch die Einbeziehung Tausender Bürgerinnen und Bürger haben wir gezeigt, dass Wissenschaft sowohl integrativ als auch wirkungsvoll sein kann.“ In Zukunft wollen Lebeer und ihr Team die vielversprechendsten Stämme durch Klinik- und Feldversuche sowie durch Patententwicklung weiter erforschen. Die Isala-Plattform wird auf internationaler Ebene ausgebaut, mit „Schwester“-Projekten in mehr als einem Dutzend Ländern. „Zudem arbeiten wir mit Partnern aus der Lebensmittel-, Gesundheits- und Biotechnologiebranche zusammen, um unsere Erkenntnisse in praktische Anwendungen umzusetzen“, ergänzt sie. „Lacto-Be hat dazu beigetragen, das wissenschaftliche Verständnis neu zu formen, die Bürgerinnen und Bürger zu Forschungsbeiträgen zu befähigen, und den Grundstein für Innovationen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Nachhaltigkeit zu legen. Wir hoffen, dass die von uns entwickelten Instrumente, die Biobank und der Open-Science-Ansatz für Forschende und Innovatoren auch in den kommenden Jahren nützlich sein werden.“